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2025-10-06 18:01:45 +02:00

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3.7 KiB
Markdown

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title = "Sferics"
description = "Auf der Jagd nach der Stimme von Blitzen aus tausenden Kilometern Entfernung"
date = 2024-06-20
authors = ["Aron Petau"]
[taxonomies]
tags = [
"antenna",
"electronics",
"geosensing",
"lightning",
"radio",
"sferics",
"vlf",
"university of the arts berlin"
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+++
## Was zum Teufel sind Sferics?
> Ein atmosphärisches Funksignal oder Sferics (manchmal auch "Spherics"
> geschrieben) ist ein breitbandiger elektromagnetischer Impuls, der durch
> natürliche atmosphärische Blitzentladungen entsteht. Sferics können sich
> von ihrer Blitzquelle ohne wesentliche Dämpfung im Wellenleiter zwischen
> Erde und Ionosphäre ausbreiten und tausende Kilometer von ihrer Quelle
> entfernt empfangen werden.
*Quelle: [Wikipedia](https://en.wikipedia.org/wiki/Radio_atmospheric_signal)*
## Warum einfangen?
[Microsferics](https://microsferics.com) ist ein faszinierendes
Referenzprojekt—ein Netzwerk von Sferics-Antennen zur Detektion von
Blitzeinschlägen. Durch Triangulation (ähnlich wie bei GPS-Mathematik)
können sie den mehr oder weniger genauen Ort jedes Einschlags bestimmen.
Das ist nützlich für Wettervorhersagen und die Erkennung von Waldbränden,
die oft durch Blitze verursacht werden.
Wenn man Sferics-Frequenzen in Audio umwandelt, liegen sie im hörbaren
Bereich, sodass man Blitzeinschläge tatsächlich *hören* kann. Der Klang ist
normalerweise ein Knistern, manchmal aber überraschend melodisch—erinnert an
einen Geigerzähler.
### Die technische Herausforderung
Sferics befinden sich im VLF-Bereich (Very Low Frequency), um die 10 kHz—
ein Problem für die meisten Radios, die nicht für so niedrige Frequenzen
ausgelegt sind. Deshalb haben wir unsere eigene Antenne gebaut.
Bei 10 kHz haben wir es mit *wahnsinnig* großen Wellen zu tun: Eine einzelne
Wellenlänge erstreckt sich über etwa 30 Kilometer. Diese Größenordnung
erfordert eine beträchtliche Antenne. Eine besondere Eigenschaft solcher
massiven Wellen ist ihre Tendenz, zwischen Ionosphäre und Erdoberfläche zu
reflektieren—sie springen praktisch mehrmals um den Globus, bevor sie
absorbiert werden. Das bedeutet, wir können Sferics aus der ganzen Welt
empfangen, sogar australische Blitzeinschläge!
Ohne richtige Triangulations-Mathematik können wir keine genauen Richtungen
bestimmen, aber die "Tweeks", die wir aufgenommen haben, stammen
typischerweise aus mindestens 2.000 km Entfernung.
## Der Bau
Wir konstruierten mehrere "Long-Loop"-Antennen—im Grunde eine Drahtspule
mit einem Kondensator am Ende. Je nach Drahtlänge wird ein spezifischer
Balun benötigt, um ein elektrisches Signal über ein XLR-Kabel auszugeben.
Lose basierend auf Anleitungen von
[Calvin R. Graf](https://archive.org/details/exploringlightra00graf), bauten
wir eine 26 Meter lange Antenne, die mehrfach um einen Holzrahmen gewickelt
wurde.
## Das Ergebnis
Wir haben mehrere Stunden Sferics-Aufnahmen gemacht, die wir derzeit auf
weiteres Potenzial untersuchen.
### Hör dem Blitz zu
{{ youtube(id="2YYPg_K3dI4") }}
Wie man hören kann, gibt es ein merkliches 60-Hz-Brummen in der Aufnahme.
Das liegt wahrscheinlich an unzureichender Erdung oder unserer Nähe zur
geschäftigen Stadt. Trotzdem ist es überraschend, dass wir so klare
Ergebnisse so nah an Berlin erzielt haben. Mal sehen, was die Landschaft
ergibt!
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"alt": "Nachts Sferics lauschen",
"title": "Nächtliche Session zum Erfassen atmosphärischer Signale"
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"alt": "Der Drachenberg-Standort",
"title": "Aufnahmeort am Drachenberg"
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"alt": "Die Long-Loop-Antenne",
"title": "Unser 26-Meter VLF-Antennenaufbau"
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